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„Das Private ist politisch“ – Ist das Coming Out eine politische Verortung?

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„Das Private ist politisch“ – habt ihr den Spruch schon mal gehört? Oder so etwas ähnliches, Sätze wie „Wir müssen uns wie selbstverständlich zeigen, nur dann wird es irgendwann normal.“ Worum geht es? Es geht um die Frage: „Soll ich offen zu dem stehen, was und wie ich bin?“ Zeige ich anderen direkt, was und wen ich mag? Und wie offen und direkt soll das sein? Will ich damit ein politisches Statement abgeben? Geht das überhaupt? So viele Fragen…

Der Satz „Das Private ist politisch“ bzw. „Das Persönliche ist politisch“ geht auf die zweite Welle der Frauenbewegung in den 1970er Jahren zurück. Es ging um die Rechte am eigenen Körper, das Recht auf eine eigene Meinung und diese folgenfrei äußern zu können – ohne Stellvertreter. Daher bekam das Konzept auch den Namen „Politik der ersten Person“. Natürlich geht es hier um Politik im weiteren Sinn, also Handlungen, die Haltungen verdeutlichen. Der Gegensatz wäre eine Beschäftigung mit politischen Vorgängen als solche. Die erste Person – das wissen wir noch aus dem Deutschunterricht, ist „Ich“, also jede und jeder einzelne von uns.

Jeder einzelne von uns begeht demnach also eine politische Handlung, wenn er oder sie sich in irgendeiner Weise verhält. Wenn man zum Beispiel sagt, dass man mit einer Person des selben Geschlechts zusammen ist. Aber auch, wenn man dies für sich behält.

Die Fürsprecher des Privaten als Poltischen plädieren dafür, alles, aber zumindest den Teil der Persönlichkeit öffentlich zu machen, mit dem man sich von der Mehrheit unterscheidet. Damit es zur Normalität wird, zu einer Sache, über die niemand mehr spricht, als wäre es etwas Besonderes.

Leider kommen wir dabei zu einem Widerspruch. Denn nur, weil man etwas zeigt, das für einen selbst zur Normalität zählt, ist es das noch lange nicht für die anderen. Für diese, also für die Mehrheit, scheint es zunächst so, als ob das eigene Verhalten überbetont und zwanghaft nach außen gekehrt wird.

Viele möchten jedoch so wahrgenommen werden, wie sie sind, ohne auf ihre Sexualität reduziert zu werden. Sie wollen selbstverständlich zeigen, wen sie lieben, ohne ein poltisches Statement abzugeben. Aber geht das überhaupt? Und muss es nicht immer Menschen geben, die voran gehen?

Wären am frühen Morgen des 28. Juni 1969 im „Stonewall Inn“ (Greenwich Villlage, New York) die Menschen nicht der Polizei entgegengetreten, hätte es keine Bewegung, keine Demos, keinen ersten CSD 1979 in Deutschland gegeben. Bei diesen Veranstaltungen oft mit in der ersten Reihe: Dragqueens, Transvesititen und andere Menschen, die etwas mehr auffallen, als andere. Sie beteiligten sich, um zu ihrem Recht zu kommen. Ihrem Recht, so sein zu dürfen, wie sie sind.

Heute müssen wir in Deutschland nicht mehr demonstrieren, um so sein zu dürfen, wie wir sind. Wohl aber, wenn wir so sein wollen wie die anderen – bzw. wenn wir so behandelt werden wollen. Stichwort: Gleichbehandlung. Da der Weg der Gleichbehandlung über den politischen Weg ausgehandelt wird, ist ein Coming Out immer auch eine politische Handlung – ganz egal ob die Person ihre Äußerung aus politischen Motiven getroffen hat oder nicht.

Written by sprachspieler

29. April 2014 at 21:53